Evangelische Kindertagesstätte St. Laurentius

  • Standort: Halle
  • Art: Neubau
  • Status: Fertigstellung 2014
  • Leistungsphasen: 1 - 9

1. Hintergrund und städtebauliche Betrachtungen zum Neubau

Ziel ist die Entwicklung eines generationenübergreifenden gemeinsamen Standortes für Kirchengemeinde und Kindergarten am Standort in der Breiten Straße 29. Mit der Realisierung des Kindertagesstättenneubaus ist ein großer Schritt in diese Richtung getan worden.

Der Neubau des Kindergartens St. Laurentius auf dem Gemeindegrundstück der Kirchengemeinde St. Laurentius besetzt die bisher unbebaute nordöstliche Grundstücksfläche im Bereich zwischen der mächtigen, von der Nachbarbebauung Geiststraße gebildeten Brandwand und dem zusehends verfallenden südöstlich gelegenen Nachbargebäude. Diese innerstädtische Fläche lag bisher weitgehend ungenutzt mit wenig Aufenthaltsqualität und wegen potenzieller Gefährdung durch herabstürzende Bauteile der angrenzenden Nachbarbebauung Geiststraße brach.

Das Grundstück in Ecklage Breite Straße/Laurentius Straße bot darüber hinaus aufgrund seiner für innerstädtische Verhältnisse sehr großen unbebauten Grundstücksfläche den vorhandenen Freiraum als Entwicklungspotential für die Schaffung einer neuen Gemeindemitte für Jung und Alt.
Der Bestand des Solitärs des ehemaligen Pfarrhauses, daß heute als Wohnhaus und für das Gemeindebüro genutzt wird, das Gemeindehaus an der Laurentiusstraße und der geplante Neubau sollen künftig ein Identität stiftendes Dreigestirn für das Gemeindeleben in unmittelbarer Nähe zueinander bilden.

Der Neubau konnte ohne Eingriff in die vorhandene Bebauung erfolgen. Es entstand ein Neubau in innerstädtischer Vorzugslage, der hinsichtlich der infrastrukturellen Entwicklung eine deutliche Aufwertung des Neumarktviertels ermöglicht.

2. Architektur des Neubaus

Baukörpergliederung

Der neu entstandene Baukörper entwickelt sich als eigenständiger Bau entlang der vorhandenen Brandwand an der nordöstlichen Grundstücksgrenze.

Die Baufläche wird mit einem flach geschichteten, nach Nordwesten abgetreppten Baukörper besetzt, der auf die Topographie der Umgebung, die Höhen der umgebenden Bebauung und die Anforderungen des Bauordnungsrechts angemessen reagiert.
Das Gebäude wird in seiner Positionierung und Ausrichtung auf dem Grundstück darüber hinaus den innerbetrieblichen Erfordernissen und den Anforderungen an ein altersübergreifendes Gemeindeleben gerecht.

Die klare Gliederung der Fassade entspricht der inneren Funktion, bricht die Massivität des angrenzenden Altbaus und der angrenzenden Brandwand auf und bringt maßstäbliche Verbindungen zur Umgebung. Der Baukörper schafft durch seine reduzierte Materialität und seine horizontale Schichtung eine selbstverständliche Verbindung von Innen und Außen.

Großflächige Fenster gen Südwesten sorgen in jedem Geschoß für eine effektive Belichtung des relativ tief gestaffelten Baukörpers.

Erschließung

Die Schnittstelle von Neubau und Baukörpervolumen des angrenzenden Altbaus wird thematisiert. Folgerichtig wird an dieser Stelle der Haupteingang und das Erschließungstreppenhaus, gleichzeitig 1. Rettungsweg, und unmittelbar daran anschließend der Personenaufzug platziert. Es entstand eine angemessene behindertengerechte Erschließungszone. Das Gebäude ermöglicht aufgrund seiner terrassierten Ausprägung vielfältige Durchblicke und Ausblicke und eröffnet interessante Blickbeziehungen im Gebäude selbst und in den einströmenden Freiraum.
Der Neubaukörper zeigt klare Ausdrucksformen. Die Zäsur zwischen vorhandenem Altbau und Neubau macht die Gebäude im städtebaulichen Kontext deutlich erlebbar, ohne daß die Gebäude gegenseitig in Konkurrenz treten.

Innere Funktion

In erster Linie soll der entworfene Neubau einen perfekten betrieblichen Funktionsprozeß mit optimierten Nutzflächen und Funktionszusammenhängen sicherstellen. Die Funktionen sind räumlich eng vernetzt, bleiben jedoch bei Bedarf strukturell klar voneinander getrennt, so daß unangemessene räumliche Überschneidungen zwischen Betriebsabläufen jederzeit minimiert werden.
In zweiter Linie soll der Neubau in zurückhaltender Sachlichkeit unprätentiös ohne gestalterische und symbolische Überhöhung den ideellen Anspruch an Funktion und Ästhetik einer Kindertagesstätte nach innen und außen präsentieren.

Die drei Geschoßebenen sind bewußt von außen ablesbar entworfen. Die nutzbare Grundfläche der Geschosse wird in den oberen Geschossen verringert. Der übergeordnete Funktionszusammenhang wird so bereits von außen deutlich.

Das Erdgeschoß nimmt den überwiegenden Anteil der Betriebsabläufe auf. Dies sind insbesondere die administrativen, betreuenden, kommunikativen und dienenden Betriebsfunktionen der Kindertagesstätte. Neben zwei Gruppenräumen mit Nebenraum sind dies ein Garderobenraum, ein Technikraum, ein Putzmittelraum, ein Sanitärbereich mit Behinderten/Personal-WC, ein Personalraum, eine Ausgabeküche, ein Speiseraum und der Raum der Leiterin der Kindertagesstätte.

Dem Obergeschoß sind ausschließlich betreuende und dienende Betriebsstrukturen zugeordnet. Zwei weitere Gruppenräume, ein Sanitärbereich mit Personal-WC und ein Garderobenraum verdeutlichen in ihrer Addition bereits die von unten nach oben angestrebte Verkleinerung der nutzbaren Geschoßfläche. Es zeigt im Sinne einer kosteneffizienten Bauwerkserrichtung ein im Verhältnis zum Erdgeschoß reduziertes Volumen.

Die Fortsetzung der Entwurfsidee wird im 2.Obergeschoß deutlich. Hier entstand gleich einem „gebauten Nest“ einzig und allein ein großer Gruppenraum, der auch als Bewegungsraum genutzt werden kann.

Fluchtwege

Jeder Gruppenraum der Geschosse kann über einen direkten Ausgang ins Freie verlassen werden. Die beiden oberen Geschosse werden über begehbare Terrassen und eine Außentreppenanlage als 2. Rettungsweg oder über das notwendige Treppenhaus als 1. Rettungsweg evakuiert.

Konstruktion und Material

Der Neubau wurde in seiner tragenden Grundstruktur als monolithische Stahlbetonkonstruktion errichtet. Die Betonhülle wird vervollständigt durch ein Wärmedämmverbundsystem (Schaumglas) und einen Fassadenputz.

Im Innern besteht die Struktur aus tragenden massiven Stahlbetonwänden und nichttragenden Leichtbaukonstruktionen. Die Innenwandflächen sind großteils als farbig gefasste Sichtbetonflächen in Struktur der gewählten Schalung ausgeführt.

Die Dächer der Neubebauung wurden als begehbare, massive Flachdachkonstruktion mit Schaumglasdämmung und Dielenbelag ausgeführt. Nicht begehbare Bereiche erhielten eine Bekiesung. Sie stellen gleichzeitig die Nutzflächen für alternative Energiegewinnung dar.

Lichtkonzept

Die großzügige natürliche Belichtung durch Fensterflächen wird ergänzt durch künstliche Raumbeleuchtung, um einen flexiblen Ausstellungsraum zu ermöglichen. Bei der Auswahl der Beleuchtungselemente wurde ein unauffälliges Erscheinungsbild zur Gewährleistung visuellen Komforts genau so bedacht wie das Verhindern von Blenden, ein an die Räume angepasstes farbliches Erscheinungsbild des Lichtes, Energieeffizienz und Haltbarkeit der Leuchtelemente zur Minimierung des Instandhaltungsaufwandes.
Darüber hinaus werden punktuell dunklere höhlenartige Nischen oder höhlenartige Fenster als Rückzugsmöglichkeit für die Kinder in den Gruppenräumen vorgesehen.

Akustik

Gruppenräume und hoch nutzerfrequentierte Bereiche wurden mit einer ungerichteten Akkustikdecke ausgestattet. Entsprechend der notwendigen Raumbedämpfung konnte so der Perforationsgrad der Decke/Hüllstruktur angepasst werden.

Energie/Lüftung/Heizung

Der winterliche Wärmeschutz wird durch eine kompakte, fugendichte Bauweise und durch Verringerung der der Wärmeverluste des Gebäudes durch Nutzung von Reflexion und Absorbtion langwelliger Strahlung im Gebäude erreicht. Die Heizenergiefreisetzung erfolgt über Flächenheizungen (bevorzugt Fußbodenheizungen). Der energetische und wirtschaftliche Vorteil ausreichender Wärmespeicher als Komponente des Heizungs- und WW-Systems (auch zur Begrenzung der Heizlasten) wurde berücksichtigt.

Der winterliche Wärmeschutz erfolgt konstruktiv und bautechnologisch über die Einhaltung der DIN 4108 und der EnEV 2009 sichergestellt.

Der sommerliche Wärmeschutz wird über die Fassadendämmung, eine ISO-Verglasung und natürliche und künstliche Verschattung gewährleistet. Direktes Sonnenlicht wird durch steuerbare außenliegende mechanische Verschattungselemente kontrolliert, um Blenden und Überhitzen zu vermeiden.

Eine Nachtauskühlung erfolgt über zentrale Zu- und Abluftöffnungen in den Verglasungselementen. Für die Flächenverglasungen werden Fenster mit Wärmeschutzverglasung, als Dreifachverglasung hergestellt.

Es wird Frischluft über selbstregelnde Zuluftelemente in den Fensterkonstruktionen angesaugt und über selbstregelnde Anluftventile mittels zentralem Ventilator abgesaugt. Es sind praktisch keine Leitungen zur Luftführung montiert worden, auch Einregulierungen sind nicht erforderlich.
Die Lüftungsanlage ist auch für die Sommernachtslüftung einschließlich Warmwassererzeugung nutzbar.

Für die Wärmeerzeugung zur Raumheizung und WW-Bereitung werden regenerative Energien genutzt, insbesondere Erdwärme und solare Energie.